
Lesen im Fluss
Wie mein Leben und Schreiben in Wandlitz umflügelt wird und was sich jüngst in Nachbarins Garten zutrug.
Ich las vor. Und während ich das tat, umflog mich etwas. Summte brummte um mich herum. Berührte meine Stirn. Ich las vor und tat das weiter. Versuchte währenddessen nicht darüber nachzudenken, ob das, was summte und brummte eine Fliege oder eine Wespe war (es war, so sagte man mir später, eine Fliege). Und saugte alles – die Atmosphäre, nicht das Insekt – in mich auf.
Die Atmosphäre: Ich saß (ich las), umringt von hohen Bäumen, auf einer provisorischen Bühne. In meinem Rücken stand ein Schuppen, vor mir saßen rund 40 Menschen auf Stühlen, Bänken und Decken im Gras. Weiter hinten sah ich das Haus der Gastgeberin, die Kamerafrau und Fotografin Heike Stiehler, die diese Atmosphäre geschaffen hatte.
Wäre ich nur passiver Gast gewesen, ich hätte diesen Nachmittag mit Literatur und Musik (von Sylvia Swierkowski) ganz entspannt und gut gelaunt erlebt. Doch ich war Akteur bei der Picknicklesung in Nachbars Garten der Buchhandlung Wandlitz und der Ehrenamtsagentur Wandlitz. Und so war ich zwar durchaus von Anfang an gut gelaunt, doch auch ein wenig angespannt. Bis ich begann. Und sich alles fügte.
Und wenn ich wen bewegen kann …
In den vergangenen Monaten bin ich in Wandlitz heimisch geworden. Das Leben in Brandenburg – die Weite, die Seen, die Vegetation, die politischen Schwingungen, die Menschen und der Blick, den ich von außen auf dies alles spüre – hat meine Sicht auf die Dinge verändert. Und damit auch mein literarisches Schreiben: Beobachtungen sind wichtiger als Thesen geworden. Ich blicke stärke um – und vor allem: in mich.
Bei der Picknicklesung präsentierte ich unter anderem zwei völlig neue Geschichten, die erst im Juni entstanden sind. Kürzere Texte, erdichtet aus Erlebtem und Ereignetem. Verdichtet. Und sprach anschließend darüber, was es bedeutet, beim Schreiben aus dem zu schöpfen, was mich im Innersten bewegt – ein Thema, dem ich hier beizeiten noch einen eigenen Beitrag widmen möchte.
Gerade dieses freie Erzählen, fern des Textes, hat mir bei früheren Lesungen ab und an Schwierigkeiten bereitet. Ich war zuweilen von Hemmnissen gepackt. Holperte stolperte beim Sprechen dahin. Diesmal war alles anders. Diesmal sprach ich – und las auch – völlig locker, selbstsicher und frei. Beflügelt von meiner Umgebung, selbst durch Flügelschläge rund um meinen Kopf nicht nachhaltig irritiert.
Nach der Lesung kamen mehrere Zuhörerinnen auf mich zu und bedankten sich. Eine verriet, sie spiele seit langem mit dem Gedanken, ihr Leben aufzuschreiben und sei jetzt motiviert, es zu tun. Da musste ich lächeln und an meinen Gedanken denken, dass ich keine Bestseller-Verkaufszahlen brauche, um wertzuschätzen, was ich tue. Dass es beglückend ist zu erleben, wenn ich Menschen mit meinen Geschichten bewege.
Meine Lesung wurde gefördert durch den Brandenburgischen Literaturrat aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Dafür mein herzlicher Dank!