Neue Nähe zum Publikum
Welche Lehren ergeben sich aus der Corona-Pandemie für Künstlerinnen und Künstler? Die Frage stand am Anfang des Stipendiums „10 qm/Corona Katalyse“. Ich habe mich darüber mit zehn Literaturmenschen unterhalten - und interessante Einblicke bekommen.
Ich war auf einer malaysischen Insel, als ich vor etwas mehr als einem Jahr von der Absage der Leipziger Buchmesse erfuhr. Drei Lesungen hatte ich dort geplant. Ich seufzte kurz und nahm es hin. Wer konnte damals schon ahnen, wie lange uns Corona matt setzen würde?
Wieder zurück in Deutschland nahm ich eine Wohnzimmer-Lesung auf, ein kurzer Clip nur. Ich wusste schon damals, dass das Format der Online-Lesung keines für mich ist. "Echte" Lesungen mit einem räumlich präsenten Publikum waren nicht möglich, also konzentrierte ich mich aufs Schreiben neuer Geschichten.
Als das Kulturamt der Stadt Stuttgart die (2021 erneuerte) Ausschreibung für sein Corona-Stipendium veröffentlichte, schrieb ich eine Bewerbung. Das Stipendium beschäftigte sich genau mit der Frage, die wohl jeden Kunst- und Kulturmenschen umtrieb: Was passiert mit uns mit und durch die Pandemie?
Die Sicht der anderen
Ganz konkret fragte ich mich, welche Folgen es hat, wenn Lesungen vorerst nur online stattfinden können. Ob die in aller Schnelle entwickelten Formate ein gleichwertiger Ersatz für weggebrochene Begegnungen in der realen Welt mit dem Publikum sind. Wie man mit digitalen Lesungen emotional berührt. Und welche Alternativen es abseits der klassischen Wasserglaslesung gibt oder geben könnte.
Ich bekam das Stipendium - als einer von 21 Künstlerinnen, Künstlern und Kunstduos. Zweimal sind wir einander im vergangenen Herbst begegnet (beide Male online, versteht sich), ansonsten ging jeder für sich dem eigenen Rechercheprojekt nach.
Meines bestand unter anderem darin, Literaturmenschen über ihre Erfahrungen mit Corona zu interviewen, zehn insgesamt, darunter die Pressesprecherin der Hanser-Verlage, Christina Knecht, die Leiterin des Stuttgarter Literaturhauses, Stefanie Stegmann, und die Lyrikerin und Literaturveranstalterin Carolin Callies.
Vier Haupterkenntnisse
Der Austausch war spannend und vielschichtig. Meine Interviewten argumentierten aus unterschiedlichen Perspektiven heraus und doch ähnelten sich ihre Eindrücke. Vier Haupterkenntnisse, die ich gewann, lauten:
*Digitale Lesungen sind besser als nichts
*Digitale Lesungen haben ihre eigenen Gesetze
*Ob klassische Wasserglaslesung oder neues Leseformat: Der/die Autor*in muss sich auf der Bühne wohlfühlen, um das Publikum zu erreichen
*Ohne Förderung geht es nicht
Wie ich zu ihnen gelangt bin und welche Konsequenzen ich daraus ziehe, zeigt die Dokumentation meines Stipendiums (pdf-Dokument, 717 kb). Eine Übersicht über die Projekte der Mitstipendiatinnen und Mitstipendiaten folgt, sobald sie veröffentlicht ist.